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Die landläufige Meinung ist, dass die Alzheimer-Krankheit unheilbar ist und Medikamente den Krankheitsverlauf lediglich aufhalten, aber nicht stoppen können. Sie haben nun das Buch „Alzheimer ist heilbar“geschrieben.

Diese Meinung ist mittlerweile recht gut widerlegt. In zwei ersten kleineren Studien gewannen Alzheimer-Patienten, die sich im Frühstadium befanden, durch ein neues therapeutisches Konzept ihre Alltagskompetenz wieder zurück. Allerdings gelang dieser therapeutische Durchbruch nicht durch ein neues Medikament, sondern einzig durch gezieltes Beheben der individuellen Krankheitsursachen.

Welche bahnbrechende Entdeckung haben Sie gemacht, die die Ärzte und die moderne Medizin nicht erkannt haben?

Dass es sich bei Alzheimer um eine Mangelkrankheit handelt. Sie entsteht dadurch, dass unsere heutige Lebensweise nicht mehr im Einklang mit unseren Bedürfnissen steht, die sich über viele Jahrtausende ausgebildet haben. Die daraus resultierenden Mängel schädigen auf besondere Weise unsere Gehirnzentrale für Erfahrungswissen, anstatt ein Leben lang zu wachsen, schrumpft sie. Aus diesen Beobachtungen einwickelte ich eine grundlegende Erklärung der Alzheimer-Entstehung, die sämtliche Risikofaktoren in einen (bio-)logischen Zusammenhang bringt. Jeder einzelne dieser Mängel, wie zum Beispiel ein Mangel an Bewegung, an Vitaminen oder Spurenelementen, aber auch an sozialen Kontakten und Regeneration genügt, um das natürliche Wachstum unserer Gedächtniszentrale zu behindern und das Erkrankungsrisiko zu steigern. Medikamente können diese krankheitsauslösenden Mängel nicht beheben, weshalb sie regelmäßig scheitern. Nur eine gezielte und rechtzeitige Änderung unserer Lebensweise kann den Krankheitsprozess stoppen und umkehren.

Sie argumentieren, dass Alzheimer keine Frage des Alters, sondern des Lebenswandels ist? Wie muss man leben, um das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, zu minimieren?

Unser Gehirn besitzt das Potenzial, bis ins höchste Alter jung und leistungsfähig zu bleiben. Allerdings müssen, um dies zu nutzen, dafür seine grundlegenden Bedürfnisse gestillt werden. Diese haben sich seit der Steinzeit so gut wie nicht verändert, was jedoch nicht bedeutet, dass wir in die Steinzeit zurück müssen, um Alzheimer zu verhindern. Unserem Gehirn ist es sicherlich gleichgültig, aus welchem Grund wir körperlich aktiv sind und ihm dadurch Wachstumssignale senden. Ihm ist auch egal, auf welche Weise wir uns vitalstoffreich ernähren, solange wir ihm nur alles liefern, was es zur Regeneration und zum Wachstum benötigt. Wir müssen auch nicht mehr gemeinsam jagen und sammeln, wie unsere steinzeitlichen Vorfahren. Es gibt heute andere Möglichkeiten, Aufgaben im Leben zu haben und enge soziale Kontakte zu pflegen, um nur ein paar Aspekte zu nennen.

Die Politik hat zum 1. Januar 2017 mit dem Pflegestrukturgesetz explizit die Leistungen für Demenzkranke deutlich erhöht, weil mit hunderttausenden zusätzlichen Demenzkranken gerechnet wird. Liegt die Politik mit dieser Prognose falsch?

Leider sind die Prognosen vermutlich richtig. Und das ärgert mich enorm. Wir wissen, dass eine Heilung durch Selbstheilung im Frühstadium der Erkrankung möglich ist. Damit haben wir auch den Beweis dafür, dass Prävention funktioniert, wodurch sich dieses unendlich große Leid verhindern ließe. Aber dazu wäre Aufklärung nötig und ein grundlegendes Umdenken: weg von dem Irrglauben an die Allmacht zukünftiger Medikamente und hin zu mehr Mündigkeit und Selbstverantwortung. Doch ich befürchte, dass wirtschaftliche Interessen dies verhindern. Zu viele Wirtschaftszweige profitieren von einem Markt, der floriert aufgrund unserer heutigen Lebensweise.

Sie werfen der Pharmaindustrie vor, die Angst vor Alzheimer zu schüren, um den Milliardenmarkt für Medikamente zu erhalten.

Die Angst vor Alzheimer ist berechtigt, wenn wir es als Gesellschaft nicht schaffen, eine Kultur zu entwickeln, in der alle Menschen artgerecht leben können. Ich bin aber sicherlich kein Gegner der Pharmaindustrie. Im Gegenteil, denn, sie hat viel Gutes geleistet. Man denke an Schmerzmittel oder Antibiotika. Was ich einigen universitären Vertretern der Pharmaindustrie vorwerfe, sind vielmehr ihre fragwürdigen Aussagen, Alzheimer sei unvermeidbar und nur ihre Forschung könne uns davor retten. Sie lassen uns fälschlicherweise glauben, dass eine gesunde Zukunft in der Entwicklung neuer Medikamente liegt, anstatt in der notwendigen Umkehr zu einer artgerechten Lebensweise. Das ist in etwa so, wie wenn man versucht eine Pflanze, die unter Wassermangel leidet, durch ein Pflanzenschutzmittel zum Gedeihen zu bringen.

Durch diesen Irrglauben wachsen zwar ihre Forschungsetats, aber zugleich nehmen sie Menschen die berechtigte Hoffnung, selbst etwas gegen Alzheimer tun zu können. Und damit richten solche Forscher einen immensen Schaden an.

Ist es nicht Fakt, dass Gehirnzellen im Laufe der Zeit einfach absterben, nicht ersetzt werden und deshalb die Leistungsfähigkeit der Menschen abnimmt?

In der Gedächtniszentale unseres Gehirns, in der alles, was wir täglich erleben, denken und fühlen aufgezeichnet wird, können zeitlebens neue Hirnzellen entstehen, und dieses Potenzial nimmt im Alter nicht ab. Aber die meisten Nervenzellen müssen ein Leben lang durchhalten. Interessanterweise sind dieselben Faktoren (Bewegung, Schlaf, nächtliches Fasten und viele Vitalstoffe wie beispielsweise Vitamin D) sowohl für das lebenslange Wachstum als auch für die lebenslange Regeneration unserer Gehirnzellen entscheidend.

Fragen: Siegfried Volk

Zur Person

Michael Nehls (54) studierte Medizin und habilitierte 1997. Nach einer Karriere in Forschung und Management entschied der frühere Marathonläufer, nach 20 Jahren Pause wieder mit Leistungssport zu beginnen. Seit dem Jahr 2011 veröffentlichte er mehrere Bücher zum Thema Alzheimer. Auf der Gesundheits-Messe „Mediforte“ wird er zum Thema Demenz referieren.